Weidentreiben in Untermaiselstein | Flechtkunstwerke aus dem Allgäu

 „Weidentreiben“ in Untermaiselstein




Gisela Baiz und ihre Leidenschaft für das Weidenflechten

Inmitten einer traumhaft schönen Berglandschaft mit Blick zum „Wächter des Allgäus“
flechtet die 48-jährige Gisela Baiz Weiden zu wunderschönen Kunsthandwerksstücken. Sie ist eine der wenigen Weidenflechterinnen im Allgäu, die dieses Handwerk erlernt h aben und beherrschen.Zu ihrem 40. Geburtstag bekam sie einen Gutschein für einen Weidenflechtkurs geschenkt – dies war der Beginn des Weidenflechtens und einer neuen Leidenschaft, der sie bis heute nebenberuflich nachgeht. Bei diesem Kurs hat sie ihren ersten Korb geflochten. Ab diesem Moment hat sie dieses Handwerk nicht mehr losgelassen. „Es war so faszinierend, wie aus den einzelnen Weiden so etwas wunderbares geschaffen werden kann“, freut sich Gisela, dabei benötigt man nur wenig Werkzeug und das wichtigste Werkzeug sind hierbei „die Hände".



Inspiration, Geduld und Ausdauer

Bei einer Korbflechterin in Altstätten hat sie anschließend noch mehrere Kurse besucht,
sowie verschiedene Korbflechter/innen in München, Augsburg und Lichtenfels. Hierbei sind immer mehr Techniken und Anregungen dazu gekommen. Beim Weidenflechten lernt man nie aus und mit jedem neuen Projekt kommen immer neue Erfahrungen hinzu. Über die Zeit haben sich Arbeitsabläufe so auch verändert und optimiert. „Das Weidenflechten kann man, wie alles andere auch, lernen. Geduld und Ausdauer sind wichtige Eigenschaften, die benötigt werden, da es schon eine gewisse Zeit dauert, bis ein Objekt geflochten ist“, erzählt Gisela, „schnell geht hier gar nichts“.

Gutes Timing ist sehr wichtig

Nach der Ernte der Weiden werden diese zunächst getrocknet und bei Bedarf wieder
eingeweicht. Die Einweichzeit ist bei den verschiedenen Weidensorten unterschiedlich und liegt, je nach Weidenstärke, zwischen 9 und 14 Tagen – bei ganz dicken Weiden sogar länger. Dies setzt eine gute Planung voraus, wann bestimmt Objekte geflochten werden. Nach der Einweichzeit müssen die Weiden zudem zeitnah verarbeitet werden, da sie sonst wieder trocknen und brüchig werden.



Die Auswahl der Sorten

Die Weiden für ihre Kunstobjekte bezieht Gisela Baiz zum Teil von Privatleuten, die Weiden in ihrem Garten haben, sammelt diese auch selbst an der Iller oder bezieht ausgewählte Sorten auch von Weidenbauern aus München und Oberfranken. Dabei gibt es bestimmte Sorten, die sich ganz hervorragend zum Flechten eignen, da sie sehr weich und biegsam sind. Andere wiederum sind brüchig und daher nicht geeignet. Wenn die Weiden z. B. an der Rinde durch Hagel beschädigt sind, können sie nicht mehr zum Flechten verwendet werden, da diese an dieser Stelle brechen würden. So gibt es auch hier Unterschiede in der Qualität.



Von der Ernte zum fertigen Korb

Die Weidenernte erfolgt in der Zeit von November bis Februar. Danach werden die Weiden mehrere Monate getrocknet. Für eine Korb benötigt man verschieden starke Weiden, diese müssen bereits vorab aussortiert werden. Nach einer Einweichzeit von ca. 14 Tagen beginnt nun das Flechten. Zuerst entsteht der Boden des Korbes, für den Gisela Baiz geschälte Weidenstangen verwendet. Hier wird zunächst aufgestakt, d.h. das Gerüst für die Seitenwand des Geflechtes angebracht, sowie anschließend die sog. „Bodenkimme“. Danach wird eine weitere Kimme geflochten, die dem Korb die Form gibt. Mit einem Seitengeflecht geht es dann weiter, bis das Korbgeflecht beinahe die gewünschte Korbhöhe erreicht hat.
Sodann wird nochmals eine Kimme geflochten, die dem Korb noch mehr Stabilität verleiht. Der Abschlag (Rand des Korbes) gibt dem Korb einen schönen und sauberen Abschluss. Auf Wunsch können dann noch Henkel angebracht werden. Abschließend wird dann noch „verputzt", d. h. die Überstände der Weiden abgeschnitten.



Mit Händen Kunstwerke schaffen

Das ist es, was Gisela Baiz besonders viel Freude bereitet und sie fasziniert. „Es ist auch die Abwechslung, die mir Freude macht“, schwärmt Gisela. Mal ist es ein Korb, an dem sie mehrere Stunden gearbeitet hat, dann wieder ein „Weidentänzer“, der schon nach kurzer Zeit fertig ist. Wieder ein anderes Mal entsteht ein Sichtschutz, über den sich dann ein Kunde freut und begeistert ist. „Das ist schon ein tolles Gefühl“, strahlt die 48-jährige Weidenflechterin. Sie probiert auch gerne etwas Neues aus und freut sich dann sehr darüber, wenn es so klappt, wie sie es sich vorgestellt hat.

Weidenflechten – eine lange Tradition

Das Weidenflechten hat auf der ganzen Welt und den verschiedensten Kulturen eine lange Tradition. Aus Weiden wurden Häuser gebaut und Körbe, Schalen, etc. für den Alltag geflochten. Für den Fischfang fertigt die Menschen aus Weide sog. „Reusen“. In Irland gibt es Kartoffelkörbe, die mit einer bestimmten Technik geflochten werden. Auch Tragekörbe für Esel werden aus Weide geflochten. Der Beruf des Korbflechters, oder wie es heute genannt wird: Flechtwerkgestalter, ist mittlerweile ein aussterbender Beruf. Die einzige Berufsfachschule für Flechtwerkgestaltung in Deutschland liegt in Lichtenfels/Oberfranken. Dort findet auch jedes Jahr im September der Korbmarkt statt. Hier treffen sich Korbflechter u. a. aus Deutschland, Frankreich, Dänemark und Polen, und stellen ihre Werke aus. „Ein wunderbarer Markt für jeden Flechtinteressierten," so Gisela.



Sonderwünsche als Herausforderung

Immer wieder bekommt Gisela Baiz auch Anfragen für Sonderbestellungen, die sie nach
Möglichkeit auch gerne erfüllt. So fertigte sie z. B. schon einen eckigen Fahrradkorb, der in das vorgegebene Metallgestell passen sollte, oder auch einen eckigen Holzkorb mit einem Holzboden. Auch eine Obstampel zum Aufhängen war ein Sonderwunsch, den Gisela ihrer Kundin gerne erfüllte. Für sie ist es immer eine besondere Herausforderung, etwas zu flechten, das sie bis dahin noch nicht gemacht hat, aber so „wächst man mit seinen Aufgaben", schmunzelt Gisela.




Vielfalt an Flechtwerken

Ihre Flechtwerke verkauft Gisela auf verschiedenen Märkten, wie z. B. dem Vorderburger Kräutermarkt, dem Mächlermarkt in Kranzegg, Kunst- und Kreativmarkt in Petersthal oder auch auch der Waldweihnacht in Scheidegg. Die Markttermine sind jeweils auf der Internet-Seite vom „Weidentreiben" zu finden. Zudem bietet Gisela auch einen Einkauf direkt bei ihr zuhause, nach telefonischer Rücksprache, an. Viele nutzen diese Möglichkeit, wenn sie z. B. auch mal kurzfristig ein Geschenk benötigen. Die Auswahl der Flechtwerke reicht von Einkaufskörben, Laternen, Schalen, Stehlampen, über Hängevasen, Taschen, Weidenkugeln bis hin zu Herzen, Sichtschutz, Gartendeko und Vogelhäuser. „Es ist immer schön zu erfahren, wie wertschätzend viele Menschen auf das Handwerk des Weidenflechtens reagieren und gleichzeitig fasziniert sind, wie vielseitig es ist", freut sich Gisela Baiz und flechtet mit einem Lächeln an ihrem Korb weiter, den sie heute noch gerne fertigstellen möchte.

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Kontakt-Daten:
Gisela Baiz
87549 Rettenberg
www.weidentreiben.de

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Schon beeindruckend so eine wunderbare Flechtkunst und oft schlendern wir über Märkte und sehen gar nicht die Zeit und den Aufwand, der für Kunsthandwerk aufgewendet wird. Ich hoffe, mein Beitrag hat Euch über das Flechthandwerk einen Überblick geschaffen und Ihr seht bei Eurem nächsten Marktbesuch so manche Dinge ein kleines bisschen anders :).

Vielen Dank an Gisela für das wunderbare Interview und die spannenden Einblicke in die Flechtkunst. 

Herzallgäuerliebste Grüße

Eure Saskia




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